Welcome to the Jungle – Die Landschaft der Chemikalienqualitäten und -spezifikationen

  19.10.2023Kategorie Unkategorisiert

Beinahe jeden Tag kontaktieren uns Kunden, um Details zu Chemikalien zu erfragen, die in die Bereiche Qualitäten oder Spezifikationen einzuordnen sind. Der nachfolgende Beitrag soll dazu dienen, dass sich jeder Nutzer von Chemikalien, ob Einkäufer, Laborant, Techniker, Laborleiter, Ingenieur oder Chemiker, sich im Dschungel der Qualitäten und Spezifikationen zurecht findet und somit besser entscheiden kann, welches Produkt am besten für die Reinigung, Synthese, Analytik, etc. geeignet ist.

Beginnen wir hier also mit ein paar gängigen Definitionen, damit jeder auf der sehr interessanten Reise mitgenommen werden kann.

Was sind Chemikalien?

Chemikalien sind industriell oder im Labor hergestellte oder verwendete chemische Stoffe.  Es kann sich dabei um Reinstoffe oder um Stoffgemische handeln. Ob etwas als Chemikalie bezeichnet wird, hängt jedoch stark vom Kontext ab. Ein gutes Beispiel wäre hierzu Natriumchlorid, welches auch allgemein als Kochsalz bekannt ist. Im Kontext der Industrie und des Labors behandelt man diese Substanz als Chemikalie, wohingegen Natriumchlorid im Supermarkt einfach als Lebensmittel behandelt wird und somit eher nicht als Chemikalie gilt.

Was beschreibt die Reinheit einer Chemikalie?

Die Reinheit von Stoffen gibt in der Chemie im Allgemeinen das Verhältnis eines erwünschten Stoffes zum gesamten Stoffgemisch an und wir als Massenanteil bezeichnet.

w(x) = m(x)/m(ges)*100%

Hierbei ist w(x) der Massenanteil des Stoffes x in Prozent, m(x) die Masse des Stoffes x in der Gesamtmasse m(ges).

Somit bedeutet „Natriumchlorid 98%“ ganz einfach, dass in 100 g Gesamtmasse die Masse von 98 g Natriumchlorid enthalten ist, ohne die 2 g Verunreinigungen näher zu betrachten.

Was ist eine Spezifikation?

Unter der Spezifikation einer Chemikalie versteht man sinngemäß einen oder mehrere durch Messung zu erfüllende(n) Parameter mit Grenzwert oder Messintervall.

In der Realität sind solche Spezifikationen z.B. ein Wassergehalt, der unter 1% liegt oder ein Schmelzpunkt, der sich im Bereich 65-68 °C befindet.

Was ist eine Chemikalienqualität?

Eine Chemikalienqualität ist ein Zusammenspiel aus Reinheiten und Spezifikationen, die (meist) eine Applikation empfiehlt.

Es ist hierbei wichtig herauszuheben, dass die Überprüfung der „fitness for purpose“ final beim Anwender liegt oder anders gesagt, auch wenn ein Produkt für die Gaschromatographie (GC) oder Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) empfohlen wird, kann es für eine spezielle Analytik trotzdem nicht geeignet sein, da nicht jede potentielle Verunreinigung berücksichtigt wird und auch nicht werden kann (Wie soll das auch bei Millionen von Chemikalien möglich sein?).

Als prominentes Beispiel wäre hier gegenwärtig die Analytik von polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) mittels HPLC-MS/MS anzuführen. Die meisten HPLC-Lösungsmittel haben, obwohl für die HPLC spezifiziert, keine Daten zum PFAS-Gehalt. Somit müsste jeder Anwender diesen Gehallt eben selbst bestimmen, um somit die Eignung des Lösungsmittels für die PFAS-Analytik zu zeigen (fitness for purpose) oder aber auf einen Hersteller zurückgreifen, der ein geeignetes Lösungmittel mit geringem, spezifizierten PFAS-Level anbietet.

Da nun jeder diese Grundbegriffe gelesen und hoffentlich auch verinnerlicht hat, ergibt sich hieraus nun die nächste und vielleicht viel wichtigere Frage:

Sind Reinheiten, Spezifikationen und Qualitäten verschiedener Hersteller vergleichbar?

Um nach Welcome to the Jungle (Guns ´n Roses, 1987)  ein weiteres musikalisches Highlight zu zitieren: „Definetly maybe“ (Oasis, 1984) „Vielleicht, oder vielleicht auch nicht!“, würde man im Deutschen sagen.

Die Spezifikationen der Reinheiten sind abhängig vom Hersteller und vom Stoff. Die Nomenklatur der Qualitäten ist nicht genormt und kann daher auch von einzelnen Herstellern angepasst und/oder erweitert werden. Daher ist ein Vergleich der Spezifiaktionen auf dem Analysenzertifikat und/oder dem technischen Datenblatt von Herstellern im Detail stets sinnvoll und sollte eigentlich zu den Pflichtübungen aller Beiteiligten gehören, damit man während der täglichen Arbeit nicht wieder hört: „…aber ich habe doch Natronlauge für die Analyse bestellt!“. Lieber Leser, nochmals als eindringliche Wiederholung: Die Chemikalie des Herstellers 1 und des Herstellers 2 kann bei gleicher Qualität unterschiedliche Spezifikationen haben, was sich meist in unterschiedlichen Massenanteilen der Verunreinigungen (im Kleingedruckten auf dem Zertifikat) widerspiegelt.

Nichtsdestoweniger lassen sich aber grundsätzlich sechs Reinheitsstufen bzw. Qualitätsbezeichnungen unterscheiden:

Technische Qualität /technisch

Chemikalien mit technischer Qualität sind Produkte, in denen grundsätzlich noch einige Verunreinigungen enthalten sind, aber sie werden ausschließlich für technische Zwecke eingesetzt. Das liegt vor allem daran, dass der Reinheitsgrad der entsprechenden Stoffe schwankt. Diese Chemikalien werden mit der Kennzeichnung „technisch“ versehen. Anwendung finden sie hauptsächlich als Reinigungsmittel im Labor oder im Gewerbe.

Kleiner Tipp des Autors: Bitte reinigen Sie ihr Labor für Ultraspurenanalytik nicht mit technischer Ware. Im Regelfall kontaminieren Sie eher Ihr Labor als das sie es säubern. Wahrscheinlich erhöhen sie nur durch so einen „Reinigungsprozess“ den Blindwert der angestrebten Analytik.

Zur Synthese

Chemikalien zur Synthese enthalten fast immer kleinere Mengen an Verunreinigungen. Diese haben jedoch in der Regel keine negativen Auswirkungen auf die Synthesen, da das Endprodukt der Synthese gereinigt wird. Dadurch werden auch die Verunreinigungen der Edukte abgetrennt.

Ein weiterer Tipp des Autors: Sollten Sie Hydrolyse-empfindliche Produkte synthetisieren, wählen Sie doch einfach vorgetrocknete Lösungsmittel/Reagenzien. Aufgrund der für diesen Zweck optimierten Spezifikationen sparen Sie viel Zeit und Energie, die Sie ansonsten für die Trockung benötigen würden.

Rein (auch purum)

Der Mindestgehalt chemisch reiner Produkte liegt bei 97%. Chemikalien dieser Qualität sind somit zur Synthese geeignet. Sie werden jedoch auch bereits für Laborzwecke eingesetzt.

Reinst (auch purissimum)

Chemikalien von höchster Reinheit tragen die Kennzeichnung „reinst“. Der Gehalt liegt hier bei mindestens 99%. Die verbleibenden Verunreinigungen sind sehr gering. Somit können die Produkte für viele gängige Analysen eingesetzt werden. Zusätzlich können sie natürlich auch da Anwendung finden, wo eigentlich niedrigere Qualitäten ausreichend sind.

Abb. 1: Analysenzertifikat

Zur Analyse (oder pro analysi)

Die Qualitäten der mit „Zur Analyse“ gekennzeichneten Stoffe sind so rein, dass sie für analytische Verfahren eingesetzt werden können. Der Mindestgehalt liegt bei 99%. Die maximalen Gehalte an Verunreinigungen werden zudem direkt im Analysenzertifikat (Abb. 1) angeben. Dadurch können eventuelle Verueinreingigungen bereits bei der Analyse berücksichtigt und somit falsche Ergebnisse vermieden werden. Hier liegt auch der Hauptunterschied zur „Reinst“ Qualität. Bei dieser Qualität ist die Angabe zum Maximalgehalt an Verunreinigungen nicht enthalten.

Ultrarein

Ultrareine Produkte sind für sehr spezifische Anwendungen ausgelegt. Dazu zählen beispielweise die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC), die Gaschromamatographie (GC) oder auch die Spuren- bzw. Ultraspurenanalytik  (µg/g, ng/g und pg/g bzw. µg/mL, ng/mL und pg/mL, gerne auch fälschlicherweise mit ppm, ppb und ppt abgekürzt). Für Chemikalien mit ultrareiner Qualität sind die Spezifikationen sehr eng gefasst. Die Maximalgehalte vieler Verunreinigungen werden in den entsprechenden Analysenzertifikat benannt. Häufig umfasst die Dokumentation solcher Produkte mehrere Seiten.

 

Fortsetzung folgt…

 

 

Weitere Informationen

Dieser Blogbeitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Dr. Jens Boertz und ITW Reagents/PanReac AppliChem. Quelle aller Bilder: ITW Reagents/PanReac AppliChem

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