Alles rund um die Zellkultur

  30.06.2022Kategorie Wissen & How-To, Wissenschaft

Die Zellkultur ist ein Begriff, dem wir alle schon einmal begegnet sind. Was steckt aber dahinter und warum wird überhaupt die Zellkultur betrieben? Diese Fragen sowie vier wissenswerte Fakten zur Zellkultur werden in diesem Blogbeitrag behandelt, der mit freundlicher Unterstützung von anvajo entstand.

Was ist eine Zellkultur?

Als Zellkultur bezeichnet man das Anzüchten und Vermehren von lebenden Zellen. Dies geschieht unter sterilen Bedingungen und unter Verwendung von Nährmedien. In Zellkulturen befinden sich sogenannte Zelllinien, also Zellen einer Gewebeart, die außerhalb des ursprünglichen Organismus angezüchtet werden und sich in der Zelllinie fortpflanzen können. In der Regel wird zwischen primären und permanenten Zelllinien unterschieden. Permanente Zelllinien bestehen aus Zellkulturen, die unbeschränkt wachsen können, während die Teilungsfähigkeit bei Primärkulturen begrenzt ist, weshalb diese nicht dauerhaft in Kultur gehalten werden können. Permanente Zelllinien entstehen durch Zelltransformation, welche spontan erfolgt oder induziert wird. Meistens handelt es sich bei diesen Zellen um Tumorzellen. Bei der Arbeit mit Zellkulturen wird jedes Mal die gleiche Zelllinie verwendet.  Diese stammt von nur einem Individuum. Deshalb können Differenzen, die auf unterschiedliche Individuen zurückzuführen wären, ausgeschlossen werden. Um die Lebensfähigkeit der entnommenen permanenten Zellen zu erhalten, werden sie in der Regel bei sehr niedrigen Temperaturen (- 196°C) in Flüssigstickstoff eingefroren. Kultiviert werden die permanenten Zellen in vitro in Kulturmedien mit Puffer, Serum, Vitaminen, Aminosäuren, sowie anderen Substanzen und Nährstoffen, die für die Vermehrung notwendig sind. Da durch die Stoffwechselaktivität der Zellen der pH-Wert im Medium kontinuierlich sinkt, ist ein regelmäßiger Mediumwechsel wichtig (Spektrum Lexikon der Biologie, 1999).

Zellkultur, Bildquelle: anvajo

Die aus Einzelzellen oder auch aus Zellverbänden stammenden Primärzellen vermehren sich, sowie permanente Zellen, mittels Mitose, bei der es zur Kern- und Zellteilung kommt (Lang, 2006). Bei den Primärzellen handelt es sich um Teile eines Gewebes, das sogenannte Explantat. Gewonnen werden die eukaryotischen Zellen – also Zellen mit einem Zellkern – durch Herauslösen aus einem Gewebeverband. Die Kultivierung erfolgt anschließend in vitro, also außerhalb des lebenden Organismus (Niet, 2016). Da das abgetrennte Gewebe nicht mehr vom Organismus versorgt wird, befindet es sich direkt nach der Entnahme in zellulärem Stress, der zur Apoptose, also dem durch die Zelle selbst ausgelöstem Zelltod, führen kann. Aus diesem Grund ist es wichtig die Zellen so schnell wie möglich in eine Umgebung zu überführen, die den osmotischen Veränderungen entgegenwirkt. Außerdem ist es wichtig, dass die Zellen mit den nötigen Nährstoffen versorgt und ihre Abfallprodukte neutralisiert werden, damit diese sich nicht selbst „vergiften“. Daher werden sie nach der Entnahme in ein Transportmedium überführt, in dem sie für wenige Stunden bei 4°C überleben können. Im Idealfall erfolgen nach der Entnahme sofort weitere Schritte zur Umwandlung der Gewebezellen in eine Zelllinie (Lang, 2006).

Wie vermehrt man Zellen?

Die Zellen werden in speziellen Zellkulturflaschen mit einem geeigneten Medium, welches sie mit Nährstoffen versorgt, angezüchtet. Aufgrund der Vermehrung der Zellen ist der regelmäßige Wechsel des Mediums und eine Neuverteilung der Zellen auf weitere Flaschen wichtig. Gearbeitet wird in einem abgegrenzten Bereich, unter einer sterilen Werkbank, die man auch Clean Bench nennt, um Kontaminationen zu vermeiden. Bevor das neue Medium auf die Zellen gegeben wird, muss es auf eine Temperatur von 37°C erwärmt werden. Zudem sollten Scherkräfte vermieden werden, weshalb das Medium nicht direkt auf die Zellen, sondern indirekt über die Innenseite der Flasche, gegeben wird. Zum Wachsen befinden sich die Zellen in einem Inkubator, der auf eine Temperatur von ca. 37°C eingestellt ist und sie mit Kohlenstoffdioxid und Sauerstoff versorgt. Zusätzlich herrscht darin eine hohe Luftfeuchtigkeit.

Wieso wird Zellkultur betrieben?

Durch die Zellkultur können Forscher die Vorgänge innerhalb einer Zelle verstehen. Es ermöglicht die Untersuchung von Stoffwechselvorgängen, der Zellteilung und weiterer zellulärer Prozesse. Aus diesem Grund zählt die Zell- und Gewebekultur zu den wichtigsten Arbeitstechniken in der medizinischen und biologischen Forschung. Außerdem bietet die Zellkultur die Möglichkeit das Verhalten von Zellen auf bestimmte Reize und Substanzen zu untersuchen.  Zum Beispiel werden neuronale Zellkulturen zur Untersuchung von molekularen und zellulären Aspekten in der Arzneimittelforschung verwendet. Die neuronalen Zellkulturen dienen zudem als Modell zur Untersuchung der Struktur und Funktion des Nervensystems. Aktuelle Forschungsgebiete sind zum Beispiel das Wachstum der Neurone, die Herstellung von Proteinen und die Reaktion auf bestimmte Substanzen, aber auch die Auswirkung von Genaktivität auf das Verhalten der Nervenzellen (Niet, 2016).

Bildquelle: anvajo

Vier wissenswerte Fakten zur Zellkultur

  1. Kontamination durch Mykoplasmen

Mykoplasmen sind Bakterien und durch ihre kleine Größe mit einem Lichtmikroskop nicht erkennbar. Da sie so klein sind, können diese Bakterien sogar Sterilfilter passieren. Aus diesem Grund bleiben sie zunächst oft unbemerkt. Gefunden werden sie meist, wenn sie die Zellen in der Kultur überwachsen haben, sodass diese nur noch schlecht wachsen. Zusätzlich dazu macht sich eine vorzeitige gelbe Färbung des Mediums bemerkbar. Die Zellen hören auf adhärent zu wachsen. Stattdessen wirken sie körnig und rund. Ihre Präsenz in der Zellkultur kann die Antigenpräsentation der Zelle, die Signaltransduktion, sowie die Rezeptorfunktionen beeinflussen (Hauk, 2013).

  1. Die ersten kultivierten Zellen

Die Nervenfasern eines Frosches waren die ersten eukaryotischen Zellen, die erfolgreich kultiviert wurden. Dies gelang dem Zoologen Ross Granville Harrison im Jahr 1907. Hierfür passte er die „hanging drop“ Methode aus der Bakteriologie so an, dass sie für die Gewebezucht genutzt werden konnte. Auf diese Weise konnten die Nervenfasern des Frosches in einem Lymphmedium kultiviert werden (Abercrombie, 1961).

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    1. Die HeLa Zelllinie

    Die wohl bekannteste und am häufigsten genutzte Zelllinie wurde von der an Gebärmutterhalskrebs erkrankten Henrietta Lacks bei einer Tumorbiopsie entnommen. Sie führten zur Etablierung der ersten menschlichen Zelllinie im Jahre 1951. Die Zelllinie ist bekanntlich unsterblich und ist für ihr schnelles Wachstum, bei dem sie auch andere Zellen überwachsen, berühmt. Anhand der Forschung mit diesen Zellen erfolgte in der Zellkultur großer Fortschritt. Jedoch wurden die Gewebeproben, ohne das Wissen von Henrietta Lacks, entnommen und ihre Familie erfuhr davon erst im Jahr 1975. In der biomedizinischen Forschung führte dieses Vorgehen zu großen Besorgnissen bezüglich der Privatsphäre und den Patientenrechten. Erst 60 Jahre nach ihrem Tod, im Jahr 2013, stimmten ihre Nachkommen und das nationale Gesundheitsinstitut zu, von den Zellen und den genetischen Informationen Gebrauch zu machen (Dürr, 2016).

    1. Kontaminationen durch die HeLa Zelllinie

    Im Jahre 1967 untersuchte der Wissenschaftler Stanley Michael Gartler 20 unterschiedliche menschliche Zelllinien. Diese sollten der Untersuchung der Vielgestaltigkeit der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD) und Phosphoglucomutase dienen. Das Ergebnis war, dass alle Enzyme den gleichen Phänotyp aufwiesen und genetisch identisch waren. Obwohl die Spender kaukasischer Abstammung waren, wurde das G6PD-Allel ausschließlich bei Menschen afrikanischer Abstammung gefunden. Aufgrund dieser Beobachtung wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass die untersuchten Zellen von HeLa Zellen überwachsen worden waren, was zu ähnlichen Ergebnissen geführt hatte. Diese Erkenntnis führte zu einem Dilemma in der Wissenschaft und stellte vorherige Befunde basierend, auf Zellkultur, in Frage. Heutzutage werden immer noch 24 Prozent aller Kontaminationen bei menschlichen Zelllinien durch die HeLa Zellen verursacht (Lin, Chen, Jiang, Zhang, & Cai, 2019)

    Analyse von Zellen mit dem fluidlab R-300 von anvajo

    In der Zellkultur werden Zellen regelmäßig passagiert, damit sie sich weiter vermehren können und nicht durch beispielsweise Nahrungs- oder Platzmangel sterben. Hierbei werden die Zellen aus einer Kulturflasche auf mehrere aufgeteilt, wofür sie zunächst gezählt werden müssen. Aber auch für diverse Experimente ist es wichtig vorab eine präzise Zählung der Zellen oder eine Viabilitätsmessung durchzuführen, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Mit dem fluidlab R-300 kann dieser Schritt nicht nur schnell und unkompliziert, sondern auch genau und automatisch durchgeführt werden. Durch die innovative Technologie des fluidlab R-300, der digitalen holographischen Mikroskopie, ist die Bestimmung der Zellkonzentration innerhalb 20 Sekunden kein Problem mehr. Machine Learning Algorithmen ermöglichen dabei jedoch nicht nur die Identifizierung von Zellen, sondern auch die Messung der Viabilität, also des Anteils lebendiger Zelle in der Probe, mit einer hohen statistischen Signifikanz. So bietet das fluidlab R-300 nicht nur eine Automatisierung im Labor, sondern auch eine Verbesserung des Workflows bei der Arbeit mit Zellen.

    Weitere Informationen

    Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung von anvajo.

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    Literaturverzeichnis

    Abercrombie, M. (1961). Ross Granville Harrison. 1870-1959. Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society, 7, S. 111-126.

    Dürr, I. (2016). Wie Henrietta Lacks unsterblich wurde. Der Allgemeinarzt, 38(15), S. 100-101.

    Lang, G. (2006). Histotechnik. Zellkultur,Springer Verlag, 1, S. 319-332.

    Lin, J., Chen, L., Jiang, W., Zhang, H. S., & Cai, W. (2019). Rapid detection of low‐level HeLa cell contamination in cell culture using nested PCR. Journal of cellular and molecular medicine, 23(1), S. 227-236.

    Niet, M. (1. August 2016). Das Gehirn. Von Zellkulturen: https://www.dasgehirn.info/grundlagen/methoden/zellkulturen [02.2020]

    Spektrum Lexikon der Biologie. (1999). Von Zellkultur: https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/zellkultur/71584 [02.2020]

     

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